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Der X-Faktor

»Es gibt einen einzelnen Faktor, nennen wir ihn Faktor-X, der allgemein für sehr viel Leid und Kummer sorgt, der Ihnen täglich vielleicht 100, 200 Mal oder noch öfter ein wenig (oder mehr oder alle) Lebensfreude stiehlt, einen Faktor, der für Kriege und Krisen, Ehescheidungen und geschäftliche Misserfolge, Krankheiten und körperliche Gebrechen, Fehler und Behinderungen zuständig ist, einen Faktor, der die zwischenmenschliche Kommunikation blockiert, das Ausbildungs-, Gesundheits-, Wirtschaftswesen und die Weltpolitik ruiniert – und obwohl Faktor-X so häufig in Erscheinung tritt, ist er den Menschen allem Anschein nach vollkommen unbekannt bzw. in tiefe Unsichtbarkeit gehüllt – grob vergleichbar damit, dass Großstadtmenschen das Vorhandensein von Lärm kaum mehr bewusst wahrnehmen, weil dieser eben so allgegenwärtig ist – oder damit, dass radioaktive Gammastrahlung nicht spürbar ist – nur ihre Auswirkungen! Sie lesen eine Zeitung, eine Zeitschrift, Sie schalten den Fernseher ein und werden permanent mit Faktor-X konfrontiert. Sie verfolgen eine beliebige politische Diskussion und erleben Faktor-X in Reinkultur, ca. 10 bis 20 Mal pro Minute. Sie geben einem beliebigen Mitmenschen einen Ratschlag und erleben, wie derjenige mit Faktor-X reagiert. Dieser Faktor begleitet jeden Menschen von der Sekunde seiner Geburt bis zur Sekunde seines Todes und wirkt an letzterem oft sogar maßgeblich mit. Ich werde Ihnen im Folgenden eine Information unterbreiten, die Ihre Sicht des Lebens verändern könnte. Danach werden Sie in die Welt hinaus blicken und den Faktor-X so weitläufig entdecken, dass Sie sich möglicherweise fragen werden, ob Sie zuvor mit einer Sonnenbrille durchs Leben spazierten. Sie werden einen Faktor erkennen, der die Welt zur Hölle macht, vielleicht aber auch einen zarten Vorgeschmack aufs Paradies erhalten. Doch es wird danach nicht leicht für Sie werden, mit diesem Wissen weiterzuleben, denn Sie werden Faktor-X nach der Lektüre nicht nur überall bei anderen entdecken, sondern auch bei sich selbst – und dabei realisieren, wie sehr er effektiver Zustandsverbesserung im Wege steht. Wie jemand, der zum ersten Mal einen auf Tonband aufgenommen Vortrag von sich selbst abhört und dabei bemerkt, dass er nach jedem zweiten Satz „ne?“ o.ä. von sich gibt, so könnten Sie ein Verhalten an sich entdecken, das so schwierig abzulegen ist wie jede andere Angewohnheit – und andererseits könnten Sie erkennen, dass diejenigen Menschen, die Sie besonders bewundern, die Sie lieben und verehren, einfach Menschen sind, die den Faktor-X irgendwie überwunden haben. Worum handelt es sich bei diesem ominösen Faktor-X? Es handelt sich um den Umstand, dass der Mensch, jeder Mensch, dazu neigt, seine Mitmenschen ins Unrecht zu setzen – in Deutschland vielleicht sogar noch etwas mehr als anderswo auf der Welt (warum das so ist, wird im Text beschrieben).«

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Depeschen ➔ 2008