„Eingebettete Journalisten“

Ein Artikel von Udo Schulze aus der Rubrik „Journalismus pervers“ (Depesche 15/2003), der aufzeigt, wie „objektive Kriegsberichterstattung“ in heutiger Zeit gemeinhin funktioniert.


Ein Sprachrohr der Lüge

Instrumentierter Journalismus

Der Satz, den die Kollegin auf ntv am 09.04.2003 von sich gab, konnte verräterischer nicht sein: „Die Lage in Basra“, so die Redakteurin, „bleibt weiter angespannt – trotz der Briten.“ Dabei hätte es ruhig auch heißen können „wegen der Briten“. Denn eines dürfte feststehen: Hätte es im Irak keinen Krieg gegeben, wären keine Menschen gestorben. Hätte es keinen Krieg gegeben, wäre in Basra kein Chaos ausgebrochen. Und die Briten wären nicht dort.

Was der kurze Satz der Redakteurin von ntv entlarvt, ist die Tatsache, dass nicht in einer Sekunde dieses Krieges ausgewogen berichtet wurde. Wer es versuchte, wurde von US-Soldaten im Hotel beschossen.

Journalisten als objektive Darsteller der wahren Begebenheiten? Ein Traum, der spätestens mit diesem Krieg geplatzt ist.

Lassen Sie uns einen Blick in die Unterdrückungsmechanismen werfen, denen Journalisten in diesem Fall ausgesetzt sind. Lassen Sie uns fragen, warum sich Menschen, die der Darstellung der Wahrheit verpflichtet sind, verbiegen lassen. Warum sie sich, häufig auch ohne Aufforderung, sofort dem Militärapparat der Amerikaner und Briten unterwerfen. Die Antwort ist so schlicht wie erschreckend: Es geht um Kommerz, um Geld, und damit um Macht. 

Nahezu jubelnd haben Zeitungen und TV-Sender zu Beginn des Irak-Krieges die scheinbare Offenheit der britischen und amerikanischen Militärs gelobt. Das hatte es zuvor noch nicht gegeben: Kameraleute und schreibende Kollegen durften mit den Truppen der Invasoren an die vordersten Linien. Sie durften mit auf den Panzern fahren und mit in den Lagern übernachten.

Ganz schön demokratisch, was da im Irak läuft, nicht wahr? Nur, wer ein wenig hinter die Kulissen blickt, merkt schnell, worum es dort geht. Die sog. „embedded journalists“ (eingebettete Journalisten) unterstehen den Weisungen des jeweiligen Kommandeurs der Truppe, mit der sie unterwegs sind. Den Kameraleuten wird gesagt, was sie drehen dürfen und was nicht. Die Kommentatoren dürfen nicht sagen, wo sie sich genau befinden. Und über taktische Maßnahmen darf schon gar nicht berichtet werden. Das ist der Preis für die Gier nach exklusiven Bildern. Das ist der Preis dafür, nicht berichten zu wollen, sondern den Zuschauern und Lesern zuhause den Irak-Krieg als „Rambo live“ zu verkaufen. Journalismus pervers – und die Menschen in Deutschland (und der übrigen Welt) haben kaum die Möglichkeit, darüber zu reflektieren.

Wer sich zum Sprachrohr von Lüge und Propaganda macht, hat im Irak-Krieg ein gutes Leben. Aber wehe, einer der Kollegen will objektiv oder gar kritisch berichten. Dann kann es schon mal vorkommen, dass auf sein Hotel geschossen wird. Passiert ist das vor wenigen Tagen in Bagdad, wo US-Soldaten auf das Journalistenhotel Palestine gefeuert haben. Angeblich, weil sich dort Heckenschützen aufgehalten haben sollen, was allerdings von keinem Zeugen bestätigt wurde.

Ob es nun Antonia Rados in Bagdad oder Uli Klose als eingebetteter Journalist bei den Amerikanern ist: Ständig sehen wir die gleichen Bilder. Frau Rados an einem bestimmten Platz der Stadt, und Klose stets vor parkenden Militärfahrzeugen. Wer Böses denkt, könnte auf die Idee kommen, Uli Klose sei gar nicht im Krieg, sondern z.B. in der Wüste von Kuwait, wo die Reserve der Amerikaner liegt und vom Krieg nichts mitbekommt. Stets ist Klose sauber, nicht einmal verschwitzt, nicht einmal außer Atem. Nicht einmal sind Explosionen im Hintergrund zu hören, was bei seinen Kolleginnen und Kollegen im Irak jedoch alltäglich ist. Es ist halt ein „sauberer Krieg“.

Auch so werden die TV-Zuschauer zum Narren gehalten. Durch einen Kriegsreporter, der u.U. gar nicht im Kriegsgebiet ist, und durch einen Sender (RTL), der amerikahörig ist. Kein Wunder, denn Nachrichtenchef Peter Klöppel ist bekennender Amerikafreund, seine Frau Caroll stammt aus den USA und arbeitet ebenfalls als Redakteurin bei RTL in Köln.

Wie da noch – spätestens nach der Preisverleihung an Klöppel für seine Berichterstattung am 11. September 2001 – bei RTL objektiv über den Krieg und US-Politik berichtet werden kann, steht wirklich in den Sternen.

So hat sich die zu Beginn des Krieges noch halbwegs kritische Berichterstattung in Deutschland langsam aber sicher zu einem Bejubeln der vermeintlichen „Befreier“ des Irak gewandelt. Auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF schwenken die Journalisten auf US-Kurs um. Kein Wort darüber, dass England und die USA für die chaotischen Zustände in Bagdad verantwortlich sind oder darüber, dass es den Amerikanern nicht um Demokratie und Befreiung, sondern um die zweitgrößten Ölvorräte der Erde geht.

Wer glaubt, solche Gleichschaltung und Beaufsichtigung der Medien finde nur im Kriegsfall und nur in den USA statt, muss sich spätestens dann enttäuscht sehen, wenn ich von eigenen Erlebnissen als Polizeireporter erzähle. Als Redakteur bei der Berliner B.Z. erlebte ich Mitte der 1990er Jahre z.B. die schweren Krawalle und Straßenschlachten zum 1. Mai regelmäßig mit.

Auch hier gab es quasi „eingebettete Journalisten“, die Tage zuvor zur Polizeischule gerufen wurden, damit man ihnen dort das „richtige Verhalten“ am Einsatzort zeigen konnte. Auch wir unterstanden während der Einsätze dem Gruppenführer der Polizei. Auch wir fuhren in den Wagen der Polizei mit und marschierten mit den Beamten hinter den Wasserwerfern her. Fotos und Filmaufnahmen konnten nur dann gemacht werden, wenn es der Gruppenführer für angebracht hielt – ansonsten nicht. Dann erklang über Lautsprecher der Befehl „Presse vor!“ und wir durften unsere „Arbeit“ erledigen. Der Nachteil: Niemand konnte z.B. die von der Polizei eingeschleusten und als Chaoten verkleideten Männer fotografieren oder filmen, die innerhalb der Demonstrationsgruppen dafür sorgten, dass es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam. Niemand von uns konnte unabhängig mit Demonstranten sprechen, niemand von uns über ihre durch die Polizei verursachten Verletzungen berichten. Die Polizei war allgegenwärtig und hatte uns Journalisten fest im Griff.

So sieht die Wahrheit über den Journalismus in Deutschland und der übrigen westlichen Welt aus. Da flüchtet sich der Zuschauer doch lieber zu „Deutschland sucht den Superstar“ oder zu Oliver Kahns lustigen Seitensprüngen. 

Ob das von den Medienzaren und ihren Politikern gewollt ist? Nein, aber natürlich-selbstverständlich nicht, wie kommen Sie denn bloß auf so einen abwegigen Gedanken?!? 

Udo Schulze

Von am 09.12.2025


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