6. Lukanga-Brief
Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins Innerste Deutschlands

Ein Artikel aus Depesche 30/2006
Berlin, den 1. November 1912
Mukama! Freund der Stiere!
Die Berge und Täler Kitaras sind durch schmale Steige verbunden, auf denen Rinder, Schafe und Menschen gehen. Wo der Boden von Quellen aufgeweicht ist, treten die Rinder in ihre alten Spuren und lassen Erdschollen wie Schwellen zwischen ihren Tritten. Über die Papyrussümpfe der Talsohlen legen Deine Wahutu Rohrbündel, und am Strom wartet ein ausgehöhlter Baumstamm, der als Fähre dient. An den Strohhütten unterm Felsen stehen Bananen. Das Korn lagert in geflochtenen Körben, die auf Pfählen stehen, und in einer hohlen Kürbisschale reicht ein Mädchen dem Wanderer den Honigtrunk.
Die Häuptlinge der Vulkane Karissimbi, Sabinjo, Niragongo grüßen herüber. Die Wolken, die über ihnen lagern, ergießen ihre Tropfen auf die Täler, und das Wasser fließt in lieblichen Bächen zur Ebene des Kagara.



Atemberaubende Landschaften: Die Vulkanberge Karis(s)imbi, Sabinyo und Niragongo im Gebiet des heutigen Ruanda.
Verkehr und hektisches Treiben
Und jetzt wende Deinen Blick von dieser erhabenen Ruhe und Schönheit in das Land der Wasungu. Es ist, als wenn Du auf einen Schwarm von Termiten sähest, die der Steppenbrand in Todesangst versetzte. Die einen tragen hierhin, die anderen dorthin Steinchen, Eier, Blätter.
Du kannst nicht von Wanderern sprechen, auch nicht von Fußwegen und von der Ruhe der Täler. Die Wasungu rasen durch ihr Land hin und her. Sie ebnen die Wege, legen glatte Eisenbalken darauf und lassen Wagen darauf entlangtoben, in die sie sich setzen. Du glaubst, sie hätten sehr Wichtiges am andern Ort zu tun?
Ich habe das noch nie erfahren. Sie haben wie wir Eltern, Geschwister und Kinder, die krank werden oder sterben, sie haben Sorgen und Ängste. Deshalb, sagen sie, rasen sie durch das Land; also in all den Fällen, in denen wir in Kitara gehen oder zu Hause bleiben.
Aber noch merkwürdiger ist, was sie mit den Sachen anstellen, die sie überall zusammenkratzen. Auch die packen sie auf Wagen und lassen sie völlig sinnlos so schnell durch das Land fahren, dass man nicht nebenher laufen kann. Sinnlos sage ich; denn ich sah es oft, dass Wagen aneinander vorbeifahren, die mit derselben Ware beladen sind. Überall an diesen Eisenbalkenstraßen stehen Männer, die aufpassen, pfeifen, blasen und winken, klingeln und nach den Zeitzeigern sehen, die aufgestellt sind oder die sie an einer Kette am Leibe tragen.
Diese Narrheit nennen sie Verkehr und halten den Unfug für so wichtig, dass sie nachts nicht schlafen, sondern Fackeln anstecken und bunte Lichter schwenken. Die Menschen, die in den Wagen fahren, haben Bücher, in denen geschrieben steht, wie schnell die Wagen hin und her rasen. Sie sehen immerzu in diese Bücher und auf die Zeitzeiger in ihren Kleidertaschen. Die ältesten Leute noch freuen sich kindisch über diese Verrücktheiten.
Ich folgte, um die Freude an dem Unfug kennenzulernen, einem Narren, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, aufzuschreiben, wieviele Menschen, Tiere, Steine, Kürbisse, Bäume auf dem Wagen hin und her gesandt werden. Er trug ein Buch bei sich, in dem er mir zeigte, dass es in jedem Jahr mehr würden. Ich fragte, wann es denn genug sei? Er wusste das nicht. Ich habe, großer König, die Torheit dieser Wasungu jetzt deutlicher erkannt und werde Dir von meiner Weisheit abgeben, so gering sie bleiben mag. Das eine sage ich Dir: Hüte Dein Volk vor diesen Mördern und Räubern!
Zerstörerische Irre
Meine Tränen rinnen, wenn ich das schreibe: Denn leider kannst Du weder Dein stolzes Volk noch Dein stilles Land vor Wesen schützen, die irre sind und nicht sehen, dass sie mit Feuerbränden die Strohdächer der Hütten segnen wollen. Sie sehen nicht, dass sie sich im Kreise drehen, dass sie nichts tun als durcheinanderwerfen, was auf oder in der Erde ist, und dass sie die Schönheit und den Reichtum der Erde zerstören.
Konkurrenz
Dabei haben sie einen Wetteifer gegeneinander. Nicht nur einzelne Menschen, auch Menschen ganzer Gegenden und Völker wetteifern, wer von ihnen mehr Unsinniges tut, mehr Schätze zerstört, mehr hin und her rast. Sie nennen das Leben. Ich nenne es Tod. Sie nennen es gesund. Ich sehe, dass es Krankheit ist. Der Narr, mit dem ich reiste, heißt Karl. Er war stolz, mir seine Narrheit zeigen zu können. So höre, wie er es trieb:
Großgrundbesitz und Kapitalismus
Sein Vater hatte ihm einen Kasten mit Papier hinterlassen. Durch den Besitz dieser Papiere kam er, indem er an der richtigen Stelle und zur richtigen Zeit von ganz bestimmten Narren etwas schreiben ließ, zur Herrschaft über ein Tal, wo Bauern wohnten. Hier nun war ein Ort, wohin Karl immerzu fahren musste, oder wenn er nicht dorthin fuhr, so fuhr er, weil das geschrieben worden war, woanders herum, sah in das Zahlenbuch, wann die Wagen losrasen und sah auf die Zeitzeiger.
In den Besitz der Papiere, die solche Macht hatten, war aber Karls Vater dadurch gekommen, weil er es verstanden hatte, tausend Menschen das Ackerland und also das Korn wegzunehmen, so dass sie arm waren und eine Narrheit für ihn tun mussten, um nicht zu verhungern.
So waren die Papiere entstanden, die tatsächlich die Macht hatten, andere Narren glauben zu machen, Karl sei zur Herrschaft über ein Tal gekommen.

„Fehlerhafte Schöpfung”
In dem Tal aber hatte Karl viele Menschen zusammengebracht, die etwas taten, was er Arbeit nannte. Sie rannten hin und her. Einige verbesserten den Lauf eines Flusses, den Gott falsch angelegt hatte. Er ging, wie der Fluss Nyawarongo, in Windungen durch die Ebene. Jetzt wurde er gerade gemacht.
Andere fuhren einen Berg ab, der unnütz war, wie Karl sagte, und warfen ihn in einen Sumpf, in dem bisher nur Reiher wohnten. Ein großer Bach war schnell zu Tal geflossen. Karl befahl, das dürfe nicht sein, ließ Erde davor schütten und gebärdete sich wie ein Irrsinniger vor Freude, weil das Wasser nicht mehr über die Erde fließen konnte, sich sammelte und weil sich Räder drehten, auf die das überfließende Wasser fiel, was sich jedes Kind denken kann, wenn es unterm Wasserfall badet.
Weißmehl und absichtlich herbeigeführte Krankheit
Diese Bewegung benutzte Karl dazu, von dem Brotgetreide, das er überall zusammenholte, etwas abkratzen zu lassen. Das Schlechte, was übrigblieb, bekamen die Menschen. Karl sorgte dafür, dass die Menschen nur dies Schlechte kaufen können und mehr Geld dafür geben müssen als für das Korn. Um das zu erreichen, fährt er mit dem Wagen hin und her. Er will aber, dass die armen Menschen von dem verschlechterten Korn krank und schwach werden, denn er hat Papiere, die bezeugen, dass er reicher wird, wenn die Menschen ein Kräftigungsmittel kaufen, das sein Bruder mischen lässt.
Ärzte
Ein anderer Bruder von ihm ist Wundermann und bekommt von den Armen Geld dafür, dass sie ihm vorklagen dürfen, wie schwach sie sind, und dass er ihnen auf ein Stück Papier aufschreibt, wie das Kräftigungsmittel heißt, das sie kaufen sollen. Außerdem aber kaufen die Menschen täglich ein Papier, in dem Karl schreiben lässt, dass das Kräftigungsmittel gut sei.

Moderne Sklaven, künstliche Knappheit
Ich fragte, was in dem Mittel enthalten sei? Darauf sagte mir Karl, das dürfe niemand wissen. Da sehe ich nun also folgendes: Karl und seine Brüder fahren mit Wagen soviel umher, um dafür zu sorgen, dass die Menschen arm und dumm bleiben und freiwillig ihre Sklaven werden. Sie sorgen dafür, dass die Sklaven ohne Geld nicht leben können, dass sie aber von dem Gelde nie zuviel bekommen und nie aufhören zu arbeiten und von dem Gelde das zu kaufen, was sie in Armut und Krankheit hält und ihn reich macht.
Manipulation der Bildung und Reklame
Die Kinder dieser Sklaven lernen lesen. Das aber ist ihr Unglück, denn Karl sorgt dafür, dass sie nur lesen, was dazu dient, ihn reicher und sie ärmer zu machen. Wenn sie nicht lesen könnten, würden sie den Namen des Kräftigungsmittels und das, was Karl darüber schreiben lässt, nicht kennen, sondern beobachten, was jeder Hutu weiß, dass der, der geröstetes Korn isst, gesund bleibt.
Sogenanntes Kulturvolk
Weil aber das Volk so ist, dass es nicht mehr beobachtet, sondern liest, und weil es den Unterschied zwischen wenigen Reichen und vielen Armen als etwas Großes und Bewundernswertes ansieht, nennt es sich ein Kulturvolk.
Unnützer Reichtum und der Zweck von Stiftungen
Wenn Karl und seine Brüder immer reicher werden, was geschieht mit dem Gelde? Davon bauen sie unnütze Häuser und beschäftigen die Sklaven damit. Oder sie stiften Geld, damit die Kranken, die Krüppel, die Bettler und die Verrückten ihnen nicht begegnen, sondern in Häuser eingesperrt werden…
Krieg als Instrument der Geldmacht
Wenn aber doch mit der Zeit zuviele Sklaven sich aus der Armut und dem Hunger erheben sollten, was sich nicht ganz vermeiden lässt, so sorgen sie dafür, dass große Zerstörungswerkzeuge alles, was gebaut wurde, vernichten und eine Not über das Land bringen. Auch dabei werden die wenigen reicher und die vielen ärmer.
Zahlwahn und Statistik
Die größte Freude der Wasungu aber ist das Zählen. Du hast es ja schon erlebt. Sie sind wirklich der Meinung, dass zehn Hütten zehn Hütten seien, und können sich nicht vorstellen, dass wir in Kitara es für unanständig halten, zu zählen, wie viele Hütten dastehen oder wie viele Körbe Matama geerntet werden.
Ich erinnere Dich an das Gespräch, das Du mit dem Sungu hattest, der Dich besuchte. Der Sungu schrieb in sein Buch und sagte: „Hier stehen also zehn Hütten.” Du sagtest ganz erschrocken: „Zehn? Nein, Herr, einige; vielleicht viele.” Da ging der Sungu hinaus und zeigte mit dem Finger auf jede Hütte und sagte laut: „Eins, zwei, drei ...” Als dies die Umstehenden hörten, packte sie ein Entsetzen, sie liefen davon und jammerten und opferten in ihren Hütten. Das brachte den Narren zum Glück davon ab, zu Ende zu zählen. Erschrocken sagte er zu Dir: „Sind es denn nicht zehn?” Du erbleichtest, batest ihn, auf dem Schemel niederzusitzen, der aus einem Stück Holz geschnitzt war, und sagtest: „Herr, eine Hütte ist zum Wohnen da; weiß man von außen, ob sie leer steht? Oder wenn Menschen darin wohnen, ob mit ihnen das Glück dort wohnt? Auch ist es eigentlich keine Hütte; denn die Wahutu haben Stangen aus dem Kabegewald geholt und trockenes Gras von den Bergen, wo keine Rinder weiden, und das nennst du, wenn es dort steht, eine Hütte. Aber es kann abbrennen, und dann ist es nicht mehr da, oder der Bewohner wird auf dem Berge beim Hüten der Rinder verwundet und kann nicht heim, dann ist es für ihn keine Hütte. Deshalb ist es ein Irrtum, wenn du die Hütten zählst, und die Strafe Riangombes bleibt nicht aus, so du es tust.” Da sagte der Sungu, indem er hochmütig lächelte: „Ihr seid eben ungebildet und abergläubisch; ich werde euch mal Missionare schicken, die euch den rechten Glauben und das Zählen beibringen, damit ihr ein nützliches Kulturvolk werdet und euch am Weltmarkt beteiligt; passt mal auf, hier wird es bald anders aussehen; die nackten Menschen werden Kleider kaufen können, jeder kriegt sein Haus aus Zement und eine Hausnummer dran und das ganze eine Kirche und ein Gefängnis. Die Unkosten dafür werdet ihr aufbringen oder ihr werdet eingesperrt. Dann kommen Ordnung und Kultur in diese Gegend, und der Unsinn wird euch aus den Köpfen getrieben, wenn nötig mit Gewalt.“ So sagte er; nicht alle aber verstanden ihn.
An dieses Gespräch muss ich denken, wenn ich jetzt sehe, was den Wasungu geschah. Es war für Kitara ein Glück, dass erst mal der eine Sungu vom Elefanten am Russissi-Fluss getötet wurde, so dass er mit in die Zahl kam, die zählt:
Auf der Jagd verunglückt 1910:
A. Europäer
a) ev.: 3
b) kath.: 1
B. Eingeborene
a) Christen ev.: 8, kath.: 10
b) Heiden: 13
Wie irrsinnig aber das Zählen ist, und dass es die Strafe der Gottheit nach sich zieht, das haben die Wasungu jetzt erfahren. Sie zählten die Schiffe, die auf dem Meere fuhren, die Menschen, die geboren wurden, die Kleider, die gesponnen wurden, das Korn, das geerntet wurde und wie viel mit Schiffen und Wagen hin und her gefahren wurde. Deshalb kam ein Krieg und nahm ihnen alle Schiffe, tötete die Menschen, verhinderte, dass Kleider gemacht wurden und verminderte das Getreide.
Du glaubst nun, das bringe sie zur Besinnung? Nein! Was machen sie? Sie zählen und schreiben auf, wie viele Schiffe untergehen, wie lange der Krieg dauert, wie viele Menschen getötet, wie viele vor Angst irrsinnig wurden, wie viele verwundet wurden, wie viele von diesen wiederum an den einen, wie viele an den andern Gott glaubten.
Sie tragen das in schöne Bücher ein, und die, die das anordnen, werden, wenn es fertig ist, „Herr Geheimer Ober“ genannt, man macht Bilder von ihnen und sagt, sie seien berühmt. Es gibt also für die Wasungu kein eigentliches Unglück; denn auch das Unglück und den Tod verstehen sie zu zählen – und dann sind sie glücklich.
Alkoholtote
Die Freude des Zählens ist es auch, die sie hindert, dafür zu sorgen, dass das Unglück im armen Volke abnehme. Sie wissen, dass die Rauschgetränke dem Menschen schädlich sind. Es macht ihnen aber Freude, alle Jahre zählen zu können, wie viele Menschen im Rausche erschlagen wurden, wie viele Kinder von berauschten Eltern ohne Verstand geboren werden, wie viele Verbrechen der Pombetrank verursacht, wie viele der verschiedenen Getränke nötig waren, um eine gewisse Menge Totschlag, Verarmung und Bosheit hervorzubringen, und wie viele Menschen deshalb in Gefängnisse eingesperrt werden.
Dumme Gremien
Es geschieht, dass sie in großen Gebäuden zusammenkommen und darüber sprechen, als sei es ein Fest, und alle freuen sich über die schönen Bücher mit den Zahlen von Mord, Totschlag, Hurerei und Krankheit. Zum Schluss feiern sie den „Geheimen Ober“ und loben einander. Dann gehen sie hin und gießen selbst Rauschgetränke in ihren Hals und sprechen von der Menge, Farbe, Wärme des Getränkes und wie viel man hineintun kann.
Weißer Zucker
Besonders witzig kommen sich die Wasungu vor, wenn sie zählen können, wie schnell die Menschen sterben, wenn man ihnen die Nahrung verschlechtert, viele in eine Hütte einsperrt oder sie zwingt, ununterbrochen dieselbe Sache zu machen. So zeigte mir Karl in einem schönen Buche an Zahlen, dass den gelehrten Wasungu ein großer Spaß gelungen sei. Vor fünfzig Jahren hatten alle Wasungu noch im Alter sehr schöne Zähne. Das sah ich selbst, als der Schädel eines alten Mannes aus einem Grabe genommen wurde, das weg musste, weil ein Weg nicht so gerade war, wie er bei den Wasungu sein muss.
Früher also standen, ebenso wie heute, Rüben mit süßem Saft auf den Feldern, und die Menschen kochten diesen Saft ein. Dann sah er braun aus und floss langsam wie Honig. Da bemühten sich die Leute vom Schlage Karls, diesen Saft durch Maschinen, die nur sie haben durften, zu verändern. Sie machten weiße, feste Körner daraus, die wie Quarzsand aussehen.
Nun wurde ein großer Lärm gemacht, dass das gelungen sei, mehrere Kerle durften sich „Herr Ober“ nennen und ein glänzendes Stück Messing über der Brustwarze befestigen (einen Orden), so dass die Menschen glauben mussten, das, was erfunden sei, sei etwas sehr viel Besseres und machte sie glücklicher, wenn sie es kauften. So gelang es den Karlen, dem Volk abzugewöhnen, das zu essen, was kostenlos auf den Feldern wächst, und es zu veranlassen, die Rüben an ein großes Haus abzuliefern, wo Feuer, Dampf, Rauch, verschiedener Radau und Gestank gemacht wurde, wo sich Räder drehten und angeschrieben stand „Eintritt verboten“.
Diese ganze Sache wurde abends schön beleuchtet, und in einem kleineren Raum wurde viel Papier beschrieben. Mehrere Karle wurden sehr dick, trugen schöne Kleider und hatten immer große Rauchrollen (Zigarren) im Munde, viele andere Menschen wurden sehr blass und sahen dreckig aus. Die weißen Körner aber wurden sehr teuer verkauft.
Zahnverderbnis und Zahnärzte
Jetzt wurden neue Zahlenkarle angestellt, die aufschrieben, wie das dumme Volk jährlich mehr weiße Körner aß, wie viele Zähne deshalb verfaulten, wie viele Zahnzieher beschäftigt wurden und wie viel schneller die Menschen jetzt starben. Wenn einige Menschen sagten: „Wir wollen die weißen Körner nicht mehr bestellen, sondern wieder Rübensaft essen lassen“, sagten die Zahnflicker: „Wozu sind wir denn da; wir müssen doch zu tun haben.“ Und sie zeigten, wie groß ihr Geschick war, Zähne mit Gold zu füllen und ganze Gebisse aus Gold und Stein zu machen.

Gefälschte Wissenschaft
Die Karle, welche die weißen Körner machen lassen und dadurch reicher werden, ließen schreiben, das weiße Zeug sei gesund; denn nach Versuchen eines geheimen Oberklugen, mit mehreren Metallstücken über den Brustwarzen, ginge es im Bauche des Menschen sofort ins Blut. Das glauben alle die Wasungu, die nicht Ober heißen, nichts Geheimes haben dürfen und keine Metallstücke auf der Brust tragen.
Schwächung durch Weißmehl
Wie mit den süßen Rüben machen sie es nun auch mit dem Korn. Sie machen ein ganz staubiges, weiches Mehl daraus und geben die Lebensstoffe, die abgekratzt werden, den Tieren. Dadurch erreichen sie es, dass die Menschen schwach und krank werden und zum Wundermann gehen. Der schreibt auf, wie viele kommen, wie viele an der, wie viele an jener Krankheit leiden, und schickt die Zahl einem Zahlenkerl, der sich darüber freut und alle zusammenzählt.
Aberglaube Impfen
Damit sie mehr zu zählen haben, üben sie auch noch folgenden Aberglauben: Die Wunderpriester nehmen blutigen Eiter vom Bauch kranker Kälber, die getötet werden, schneiden den kleinen Kindern mit einem geheiligten Messer Schnitte in das Fleisch und schmieren von dem Eiter hinein. Es ist dies ein Gottesgericht. Sie zählen dann, wie viele Kinder davon krank werden und wie viele sterben. Dieses Gottesgericht üben die Priester als ihr heiliges Recht auch an jedem Fremdling, der die Grenze des Sungulandes überschreitet, und ich selbst bin ihm nur wie durch ein Wunder entgangen.

„Die Wunderpriester nehmen blutigen Eiter vom Bauch kranker Kälber und schneiden kleinen Kindern mit einem geheiligten Messer Schnitte in das Fleisch und schmieren von dem Eiter hinein“. (Im Bild: Edward Jenner, englischer Impfpionier, bei der Durchführung der beschriebenen Prozedur.)
Gerechte Strafe
Die Wasungu sind für ihren Zahlenwahnsinn schwer bestraft worden. Es ist eine gewaltige Not gekommen und hat alles geändert. Sie sagen, Korn koste eine ganz bestimmte Anzahl Geldstücke. Ihr Frevel ging so weit, dass sie sich anmaßten, eine ganz bestimmte Menge für diese bestimmte Anzahl zu handeln. Da fuhr eine zürnende Macht dazwischen und machte es, dass das Korn verschwand und das Geld verschiedenen Wert hatte.
Pseudowissenschaft
Da wurden selbst die Bäuche der Zahlenkarle vor Hunger kleiner – aber denke nicht, dass sie aufgehört hätten zu zählen. Das Ganze nennen sie eine Wissenschaft. Es ist also Wissenschaft vom Hin und Her unnützer Dinge, mit denen Narren das Volk verdummen und in Not halten.
In Schmerz und Leid und Demut, Dein
Lfd. Nr.: 1
Nachnname: Mukara
Vorname: Lukanga
Tag der Anmeldung: 4. April 1912
Religion: Heide
Geburtstag: unbek.
Geburtsort: Ukara
Staatsangehörigkeit: Kitara
Impfvermerk: erfolgt
Vorbestraft: --
Lukanga.